Alles über Maschinensicherheit
EU-Normen und Richtlinien
Wie sicher muss eine industrielle Arbeitsumgebung sein? Die Übersicht in diesem Ratgeber soll Ihnen helfen, wichtige Sicherheitslücken rechtzeitig zu erkennen und vorbeugende Massnahmen zum Schutz des Personals zu treffen.
Einführung
Arbeitgeber haben die Pflicht, das Risiko an Arbeitsunfällen auf ein Minimum zu reduzieren. Schulungen alleine reichen nicht; gerade in Fertigungs- und Produktionsanlagen, wo grosse Maschinen mit sich schnell bewegenden Teilen schwere Verletzungen verursachen können, sind weitere Sicherheitsvorkehrungen vorgeschrieben. Hierfür existieren in der EU gesetzliche Normen, die entsprechende Massnahmen zur Unfallprävention vorschreiben.
Die europäischen Sicherheitsnormen lassen sich in drei Klassen einteilen:
- Sicherheitsgrundnormen, bekannt als Typ-A-Normen,
- Sicherheitsfachgrundnormen, bekannt als Typ-B1 und Typ-B2-Normen,
- Maschinensicherheitsnormen, bekannt als Typ-C-Normen.
Auf diese gehen wir in den folgenden Abschnitten ein.
Typ-A-Normen
Die Konstruktionsprinzipien und Grundkonzepte der Typ-A-Normen, wie z. B. EN ISO 12100, sind für alle Maschinen verbindlich.
Die Verfahren und ihr Ansatz zur Risikoprävention zielen darauf ab, den Faktor Sicherheit bereits vor der Konstruktion der Maschine zu integrieren.
Typ-B1-Normen
Die Normen des Typs B1 beschreiben allgemeine Sicherheitsaspekte und bieten Lösungen für diesen Zweck. Sie sind z. B. ein Anhaltspunkt für die Gestaltung fester Schutzeinrichtungen oder für die erforderliche Annäherungsgeschwindigkeit bei der Berechnung des Sicherheitsabstands für Lichtvorhänge oder Mehrstrahl-Sicherheitseinrichtungen.
Typ-B2-Normen
Die normativen Anforderungen an besondere Schutzeinrichtungen wie Not-Aus-Schalter, Schalter für beweglich trennende Schutzeinrichtungen, druckempfindliche Sicherheitsmattenoder Schaltleisten oder optoelektronische Sicherheitslichtvorhänge sind in Normen des Typs B2 zusammengefasst.
Diese Vorschriften enthalten Anweisungen für die Gestaltung und Prüfung von Sicherheitsbauteilen, die Hersteller und Konstrukteure beim Einsatz ihrer Maschinen berücksichtigen müssen.
Typ-C-Normen
Typ-C-Normen beschreiben signifikante Gefährdungen, spezifische Risiken und Massnahmen zur Reduzierung dieser Risiken für einzelne Maschinen oder Maschinenkategorien.
Gibt es für einen bestimmten Maschinentyp einen C-Standard, so hat dieser Vorrang vor den anderen B- und A-Klassen.
Wenn es zusätzliche Risiken gibt, die in der Norm nicht behandelt werden, oder wenn es keine spezielle C-Norm für die zu planende Maschine gibt, muss die Risikominderung gemäss den A- und B-Normen erfolgen.
Tabelle der europäischen und internationalen Standards zur Maschinensicherheit
Verweis auf europäische (EN) und internationale (ISO/IEC) Standards | Standard-Name |
EN ISO 12100 | Sicherheit von Maschinen – Allgemeine Gestaltungsleitsätze – Risikobeurteilung und Risikominderung |
Verweis auf europäische (EN) und internationale (ISO/IEC) Standards | Standard-Name |
EN ISO 13857 | Sicherheit von Maschinen - Sicherheitsabstände gegen das Erreichen von Gefährdungsbereichen mit den oberen und unteren Gliedmassen |
EN 349 ISO 13854 |
Sicherheit von Maschinen - Mindestabstände zur Vermeidung des Quetschens von Körperteilen |
EN ISO 13849-1 | Sicherheit von Maschinen – Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen - Teil 1: Allgemeine Gestaltungsleitsätze |
EN ISO 13849-2 | - Teil 2: Validierung |
EN ISO 13855 | Sicherheit von Maschinen - Anordnung von Schutzeinrichtungen im Hinblick auf Annäherungsgeschwindigkeiten von Körperteilen |
EN 1037 ISO 14118 |
Sicherheit von Maschinen - Vermeidung von unerwartetem Anlauf |
EN/IEC 60204-1 | Sicherheit von Maschinen – Elektrische Ausrüstungen von Maschinen - Teil 1: Allgemeine Anforderungen |
EN/IEC 62061 | Sicherheit von Maschinen - Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener elektrischer, elektronischer und programmierbarer elektronischer Steuerungssysteme |
EN/TS 62046 IEC/TS 62046 |
Sicherheit von Maschinen - Anwendung von Schutzausrüstungen zur Anwesenheitserkennung von Personen |
EN ISO 13850 | Sicherheit von Maschinen - Not-Halt-Funktion - Gestaltungsleitsätze |
DIN EN 574 ISO 13851 |
Sicherheit von Maschinen - Zweihandschaltungen - Funktionelle Aspekte und Gestaltungsleitsätze |
DIN EN 953 ISO 14120 |
Sicherheit von Maschinen - Trennende Schutzeinrichtungen - Allgemeine Anforderungen an Gestaltung und Bau von feststehenden und beweglichen trennenden Schutzeinrichtungen |
DIN EN 1088 ISO 14119 |
Sicherheit von Maschinen - Verriegelungseinrichtungen in Verbindung mit trennenden Schutzeinrichtungen - Leitsätze für Gestaltung und Auswahl |
DIN EN 1760-1 ISO 13856-1 |
Sicherheit von Maschinen - Druckempfindliche Schutzeinrichtungen - Teil 1: Allgemeine Leitsätze für die Gestaltung und Prüfung von Schaltmatten und Schaltplatten |
DIN EN 1760-2 ISO 13856-2 |
- Teil 2: Allgemeine Leitsätze für die Gestaltung und Prüfung von Schaltleisten und Schaltstangen |
DIN EN 1760-3 ISO /DIS 13856-3 |
- Teil 3: Allgemeine Leitsätze für die Gestaltung und Prüfung von Schaltpuffern, Schaltflächen, Schaltleinen und ähnlichen Einrichtungen |
EN/IEC 61496-1 | Sicherheit von Maschinen - Berührungslos wirkende Schutzeinrichtungen - Teil 1 Allgemeine Anforderungen und Tests |
EN IEC 61496-2 | - Teil 2: Besondere Anforderungen an Einrichtungen, die aktive optoelektronische Schutzeinrichtungen (AOPD) verwenden |
EN/IEC TS 61496-3 | - Teil 3: Besondere Anforderungen an aktive optoelektronische diffuse Reflektion nutzende Schutzeinrichtungen (AOPDDR) |
Verweis auf europäische (EN) und internationale (ISO/IEC) Standards | Standard-Name |
DIN EN 81-1 | Sicherheitsregeln für die Konstruktion und den Einbau von Aufzügen - Teil 1: Elektrische Aufzüge |
DIN EN 289 | Kunststoff- und Gummimaschinen - Formpressen und Spritzpressen - Sicherheitsanforderungen |
DIN EN 415-6 | Sicherheit von Verpackungsmaschinen Paletteneinschlagmaschinen |
DIN EN 422 | Kunststoff- und Gummimaschinen - Blasformmaschinen - Sicherheitsanforderungen |
DIN EN 528 | Schienengebundene Regalbediengeräte zum Ein- und Auslagern von Ladeeinheiten Sicherheitsanforderungen |
DIN EN 692 | Werkzeugmaschinen - Mechanische Pressen - Sicherheit (beachten Sie jedoch, dass formschlüssige Kupplungen nicht den Sicherheitsanforderungen der Richtlinie 98/37/EG entsprechen) |
DIN EN 693 | Werkzeugmaschinen - Sicherheit - Hydraulische Pressen |
EN ISO 10218-1 | Roboter und Roboteranlagen - Sicherheitsanforderungen für Industrieroboter - Teil 1: Industrieroboter |
DIN EN 710 | Sicherheitsanforderungen an Giessereimaschinen und -anlagen der Form- und Kernherstellung und dazugehörige Einrichtungen |
DIN EN 848-1 | Sicherheit von Holzbearbeitungsmaschinen. Fräsmaschinen für einseitige Bearbeitung mit drehendem Werkzeug - Teil 1: Einspindelige senkrechte Tischfräsmaschinen |
DIN EN 869 | Sicherheitsanforderungen an Metall-Druckgiessanlagen |
DIN EN 940 | Sicherheit von Holzbearbeitungsmaschinen - Kombinierte Maschinen zur Holzbearbeitung |
DIN EN 972 | Gerberei-Maschinen - Walzenmaschinen - Sicherheitsanforderungen |
DIN EN 1010-1 ISO 1010 |
Sicherheit von Maschinen - Sicherheitsanforderungen an Konstruktion und Bau von Druck- und Papierverarbeitungsmaschinen - Teil 1: Gemeinsame Anforderungen |
DIN EN 1010-2 | - Teil 2: Druck- und Lackiermaschinen einschliesslich Maschinen der Druckvorstufe |
DIN EN 1114-1 | Kunststoff- und Gummimaschinen - Sicherheitsanforderungen für Extruder |
DIN EN 1218-1 | Sicherheit von Holzbearbeitungsmaschinen–-Zapfenschneid- und Schlitzmaschinen - Teil 1: Einseitige Zapfenschneid- und Schlitzmaschinen mit Schiebetisch |
DIN EN 1525 | Sicherheit von Flurförderzeugen - Fahrzeuge für fahrerlose Gangbeschickung und ihre Systeme |
DIN EN 1526 | Sicherheit von Flurförderzeugen - Zusätzliche Anforderungen für automatisierte Funktionen von Flurförderzeugen |
EN ISO 11111-1 | Textilmaschinen - Sicherheitsanforderungen - Teil 1: Gemeinsame Anforderungen |
Die vorliegende Liste ist nicht vollständig, und die Normen ändern sich im Laufe der Zeit. Die Standards in ihrer ursprünglichen Fassung finden sich z.B. im Archiv der Beuth Verlag GmbH.
Software für die Suche nach Sicherheitsnormen
Für die Maschinen- und Anlagensicherheitstechnik gibt es spezielle Softwarepakete, mit denen man über Filter in Sekundenschnelle die relevanten Normen finden kann.
Überblick über einige relevante Normen
Die internationale Norm EN ISO 12100 „Sicherheit von Maschinen - Allgemeine Gestaltungsleitsätze - Risikobeurteilung und Risikominderung“ ist sehr detailliert: Sie benennt Gefährdungen, beschreibt die vom Konstrukteur zu berücksichtigenden Risiken, enthält Gestaltungsleitsätze und eine Methode zur sicheren Konstruktion und Risikominderung.
EN ISO 14121 „Sicherheit von Maschinen - Leitsätze zur Risikobeurteilung“ beschreibt eine iterative Methode zur Risikoanalyse, -bewertung und -minderung, um die erforderliche Sicherheit zu erreichen.
Die Norm EN ISO 12100 empfiehlt dem Konstrukteur, das folgende Verfahren zur Risikominderung anzuwenden:
- Angabe der Grenzen und des Verwendungszweck der Maschine
- Identifizierung möglicher Gefahren und gefährlicher Situationen
- Abschätzung des Risikos jeder identifizierten Gefahr und gefährlichen Situation, auch unter Berücksichtigung von vorhersehbarem Fehlverhalten oder unsachgemässen Handlungen des Betriebspersonals
- Bewertung jedes einzelne Risiko und Entscheiden, ob eine Risikominderung notwendig ist oder nicht
- Versuchen, das Risiko durch konstruktive Massnahmen zu beseitigen oder zu verringern. Sollte dies nicht erfolgreich sein, dann:
- Verringerung des Risikos durch die Verwendung von Schutzvorrichtungen (Schutzmechanismen wie z. B. Hartschalen oder Abdeckungen, oder durch die Verwendung von berührungsempfindlichen Schutzvorrichtungen wie z. B. Sicherheitslichtvorhängen)
- Informieren und Warnen der Maschinenbediener durch Hinweise an der Maschine und in der Betriebsanleitung vor dem Restrisiko, das von der Maschine ausgeht.
Die ersten vier Schritte beschreiben die Risikoanalyse und -bewertung. Wichtig ist dabei, dass die Risikoanalyse und -bewertung methodisch durchgeführt und nachvollziehbar dokumentiert wird.
Neben diesen vom Maschinenkonstrukteur gewählten Schutzmassnahmen kann es für den Maschinenbetreiber erforderlich sein, zusätzliche Schutzmassnahmen zu ergreifen, um das Restrisiko zu verringern.
Diese Massnahmen umfassen:
- Organisatorische Massnahmen (z. B. sichere Arbeitsverfahren, regelmässige Inspektionen)
- Persönliche Schutzausrüstung
- Schulung und Einweisung des Betriebspersonals
Maschinenrichtlinie 2006/42/EG
Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG regelt ein einheitliches Sicherheitsniveau für Maschinen, um den freien Verkehr und Vertrieb von Waren im Europäischen Wirtschaftsraum zu ermöglichen. Sie gilt für Hersteller und Vertreiber von Maschinen und Geräten. Die Maschinenrichtlinie ist im deutschen Originaltext unter https://www.ce-richtlinien.eu/ oder auch https://eur-lex.europa.eu/ zu finden.
Einige wichtige Hinweise aus der Maschinenrichtlinie sind:
- Für auswechselbare Ausrüstungen, Sicherheitsbauteile, Ketten/Seile/Gurte zum Heben, Gelenkwellen und Lastaufnahmemittel gelten die gleichen Normen wie für Maschinen. Sie müssen mit der CE-Kennzeichnung, der Konformitätserklärung und den erforderlichen Benutzerinformationen versehen sein.
- Für „unvollständige Maschinen muss der Hersteller besondere technische Unterlagen (Anhang VII Teil B), eine Montageanleitung (Anhang VI) und eine Einbauerklärung (Anhang II Teil 1 Abschnitt B) vorlegen. Es muss angegeben werden, welche Anforderungen der Richtlinie für die unvollständige Maschine gelten und ob sie erfüllt sind. Die Montageanleitung muss den Maschinenunterlagen beigefügt werden.
- Hebevorrichtungen mit Verfahrgeschwindigkeiten des Lastträgers von bis zu 0,15 m/s unterliegen der Maschinenrichtlinie; bei einer Fahrgeschwindigkeit von mehr als 0,15 m/s unterliegen sie der Aufzugsrichtlinie (sofern sie nicht unter Ausnahmeregelungen fallen).
- Baustellenaufzüge fallen unter die Maschinenrichtlinie.
- Interne Fertigungskontrolle für Serienmaschinen (Anhang VIII).
Maschinensicherheit, Risikoanalyse und Risikobewertung
Ziel der Maschinensicherheitsvorschriften ist es, sicherzustellen, dass Maschinen so gebaut und betrieben werden, dass sie bei bestimmungsgemässem Gebrauch keine Verletzungen oder Schäden verursachen.
Unfallstatistiken zeigen, dass Gefahren an einer Maschine früher oder später zu Schäden oder Verletzungen führen, wenn keine Schutzmassnahmen getroffen werden.
Schutzmassnahmen sind eine Kombination aus Massnahmen, die vom Konstrukteur getroffen werden, und solchen, die vom Benutzer durchgeführt werden.. Insbesondere sind Massnahmen, die während der Bauphase ergriffen werden können, vorzuziehen und im Allgemeinen wirksamer als Massnahmen, die vom Nutzer durchgeführt werden.
Wie im Abschnitt über Typ-C-Normen erläutert, sollten spezielle Normen für bestehende Maschinen (z. B. EN-Typ-C-Normen) Vorrang haben.
Hinweis: Die Empfehlungen in diesem Leitfaden und die Liste der Richtlinien und Normen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für die Installation, den Betrieb und die Wartung der Produkte sind die einschlägigen Normen in ihrer jeweils gültigen Fassung sowie die Hinweise in der Betriebsanleitung zu beachten. Die Nichtbeachtung dieser Hinweise kann zu schweren Personen- und Sachschäden führen.
Relevante Produktkategorien
Sicherheitszäune
Um zu gewährleisten, dass Gefahrenbereiche nicht betreten werden, sollten auf jeden Fall Sicherheitszäune und -türen vorhanden sein.
Zubehör
Maschinensicherheitszubehör und weitere Komponenten zum Schutz des Personals.
Lichtvorhänge
Registrieren Personen oder Körperteile in der Nähe von sich bewegenden Maschinen und senden sofort ein Singal, um diese zu stoppen.
Sicherheitssteuerungen
Reduzieren Risiken während potenziell gefährlicher Arbeitsprozesse